Wächter des Imperiums
(Die Ewige Mada / Das Sterbende Land)
Autor: Mháire Stritter
System: DSA Myranor
Erschienen: 2011/2013
Umfang: riesig (geschätzt 200-300 Stunden Spielzeit)
Warum habe ich das AB gelesen?
Es spielt in Myranor (und ich liebe Myranor). Und es handelt sich um eine epische Kampagne. Mehr Gründe braucht es nicht. ?
Plot
Wow. Ich bin endlich fertig damit. 354 Zeichen DSA-Textsatz, das entspricht in etwa 1200 Romanseiten. Und das sagt vielleicht allein schon etwas darüber, um was für ein Monstrum von einem Abenteuer es sich hier handelt. “Wächter des Imperiums” ist die erste wirklich epische Kampagne für Myranor. Klar, “Jenseits des Horizonts” bemüht sich redlich, aber das hier ist ein ganz anderes Kaliber. Mháire Stritter greift nämlich richtig in die Vollen und präsentiert ein Abenteuer, das das High-Fantasy-Setting Myranor mal so richtig ausreizt. Hier wird alles geboten – Exotik und fliegende Schiffe und Armeen finsterster Unholde und übermächtige Gegner und Drama und Action und und und…
Worum geht es? Ich will hier nicht allzuviel spoilern, aber es geht um nichts Geringeres als die Zukunft des Horasiats Xarxaron. Das Magierreich fungiert ja als Bollwerk des Imperiums gegen die den Namenlosen verehrenden Draydal im Westen. Und man ahnt es schon – dieses Magierreich kriegt jetzt Ärger, und zwar so richtig. Dazu wird nicht nur eine ganze Armee der Draydal aufgefahren, sondern auch gleich noch mehrere echter Archäer – dreiäugige Optimaten aus der Frühzeit des Imperiums, die als Freizauberer im Grunde nicht aufzuhalten sind. Wie die SC das dennoch schaffen ist letztlich Gegenstand der Kampagne.
Eindruck
Bei einem derart umfangreichen Abenteuer finde ich es schwierig, meine Eindrücke zu sortieren. Zunächst einmal denke ich aber, dass die Aufgabe, eine Kampagne dieser Komplexität “leitbar” darzustellen, ziemlich gut gelungen ist. Benötigte Informationen werden immer wieder an den wichtigen Stellen wiederholt, es gibt reichlich Querverweise und Kästen mit Vorschlägen für alternative Lösungswege, zusätzliche Nebenquesten etc. Obwohl ich eigentlich mit einem ziemlich schlechten Gedächtnis gesegnet bin und für das Lesen dieser Kampagne mehrere Monate gebraucht habe, konnte sogar ich so die Übersicht bewahren. Das zählt schon mal als dicker Pluspunkt.
Der zweite dicke Pluspunkt für mich ist, dass hier endlich mal jemand wirklich was aus Myranor macht. Leider waren Myranor-Abenteuer in der Vergangenheit häufig eher DSA-Abenteuer mit Furries als NSCs. Das ist hier wirklich anders. Dieses AB kann man sich wirklich überhaupt nicht in Aventurien vorstellen (oder auch nicht in den meisten anderen Fantasywelten); es löst endlich mal das Versprechen ein, das Myranor seit dem Jahr 2000 gewesen ist. Wir erleben abgedrehte Optimaten und ihre Erfindungen, besuchen ein Nest der Ashariel und einen Stamm der Leonir, fliegen mit Flugschiffen, begegnen gewaltigen magischen Wesenheiten, verhandeln mit einem Hohepriester des Namenlosen, kämpfen im Kristallturm gegen die böse Hexe, führen die Heere des Guten in die Schlacht gegen die Armeen des Namenlosen und werden ganz allgemein Teil einer Handlung, die geradewegs aus einem Fantasyroman der epischeren Sorte entnommen sein könnte. Wer also lieber “Wir retten Öhmchen Mias Katze vor den Lamucken” spielen will, ist hier fehl am Platz. Wer es aber endlich mal so richtig krachen lassen möchte in einem Abenteuer, an das man sich garantiert in zehn Jahren noch erinnert, der wird hier fündig.
Die Handlung steigert sich dazu in bester Genretradition immer weiter. Sie beginnt fast schon beschaulich und nimmt dann immer mehr an Fahrt auf. Was auch sehr gefällt ist, dass sich alle Entscheidungen aus der vermeintlich harmlosen Anfangsphase auf die weiteren Ereignisse bis hin zum Finale auswirken. Wer hier Verbündete gewinnt, hat auch später noch was davon, und wer sich Feinde macht auch. Überhaupt werden die NSC erfreulich konsequent durch das Abenteuer geführt – der beliebte DSA-Fehler, dass die einzelnen Teile einer Kampagne von verschiedenen Autoren geschrieben werden, die die Ereignisse aus den anderen Teilen dann weitgehen ignorieren, wird hier nicht gemacht. So wirkt die Kampagne wirklich wie aus einem Guss, und am Ende hat man tatsächlich einen bunten Blumenstrauß liebgewonnener (oder innig gehasster) NSCs, die über Dutzende Spielsitzungen hinweg immer mal wieder auftauchen.
Natürlich wird bei solch einem Riesenabenteuer nicht jeder alle Teile gleich toll finden. Ich persönlich war beispielsweise von der Queste im Kapitel “Das Sterbende Land” (knapp die erste Hälfte des gleichnamigen Buches) nicht so begeistert – das war mir zu sehr düster, düsterer, noch düsterer (immer noch mehr Knochen, Blut, Dunkelheit, Verzweiflung – das nutzt sich dann irgendwann ab). Den Rest der Kampagne fand ich aber so gut, dass er mich dafür locker entschädigt hat. Andere Spielleiter würde vielleicht auch stören, dass das Finale trotz seines gewaltigen Umfangs (immerhin 50 Seiten!) recht händewedelnd beschrieben ist; mir selbst macht das aber nichts, weil ich ohnehin nicht daran glaube, dass die SC genau die Dinge tun, die vom Abenteuerband liebevoll verregelt wurden. Ein bunter Strauß cooler Ideen ist da genau das, was ich zum Leiten brauche, und den kriege ich hier.
Was werde ich damit mit dem Abenteuer machen? Um eine Kampagne dieser Größenordnung zu spielen, fehlt mir leider schlicht die Zeit. Aber “Wächter des Imperiums” hat mich motiviert, so etwas mal selbst schreiben zu wollen – schauen wir mal, ob da was draus wird…